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000172021 – der neue Schlauch von Marco Merli

Die zweite Verkostung vom 20.12.2021 mit Arne und unserem Gastschmecker Leon hat ergeben:

…dass es nicht nur unausweichlich ist, einen Tag nach Ankunft der Weine weitere zu probieren, sondern dass es sogar unerwartet Neues zu entdecken gibt: Marco Merli konnte uns leider keinen 000162020-Rotweinflaschen schicken, sondern hat uns stattdessen 5-Liter-Schläuche des neuen Jahrgangs ins Paket gelegt. Wir bekamen nun also die 17. Lese – abgefüllt im Jahre 2021. So durften wir also etwas vollkommen Unbekanntes probieren: Nun also der 000172021-Rotwein

Marco Merli hatte uns als „Beipackzettel“ zum Jahrgangswechsel geschrieben, der neue Jahrgang sei „una bomba“. Und bei allem Vertrauen ihm gegenüber, sind  wir doch gespannt…

…und müssen festhalten: Marcos Urteil war keineswegs bloße Anpreisung. Wir sind  beide begeistert und lassen uns zu grandiosen Urteilen hinreißen.

Die vieldeutig-eindeutigste Aussage Leons: „Der Wein sagt allen Nichtnaturweintrinkern: »Fürchtet Euch nicht!«

Denn auch dieser Jahrgang kommt erst einmal mit seinen wohlbekannten Trauben einfach-klassisch daher – die weitere Geschmacksentwicklung zündet dann aber Marcos Bombe, die im Verhältnis zum einladenden Anfang tatsächlich den Weg in eine eigenständige Welt aufsprengt.

Zurück zum Profanen: Im Vergleich zum 2020er Jahrgang kann erst einmal grundsätzlich angemerkt werden, dass die Beschreibung zum alten Jahrgang weiterhin stimmt: Dennoch ist anzumerken, dass die Tannine hier noch ein bisschen subtiler daherkommen; darüber hinaus gibt der 000172021 im Abgang etwas Pfeffrig-Scharfes frei, das uns beim 2020er zumindest nicht aufgefallen war. Aber auch dieser Sinneseindruck verfestigt sich nicht wirklich zu einem Geschmacksblock, sondern bildet eher eine umwölbende Note des Nachgeschmacks.

Das Nachschmecken führt uns dann aber auch zurück zum religiösen Motiv: Das bloße Vergehen der Zeit ist wohl das Profanste, mit dem wir in unserem Leben konfrontiert sind und gerade durch die Geschmacksentwicklung in der Zeit eröffnet sich der Weg zu Marco Merlis Wein: Zum einen schmeckt der 000172021 unendlich nach; das aber nicht nur (!) auf der einfachen Zeitlinie, sondern auch in Bezug auf die unendlichen Linien, die sich vom recht eingängigen Anfang her entfalten. Zugleich stehen zwei der wesentlichen Geschmackserlebnisse – das Fruchtig-Frische und das Sanft-Vollmundige – auch in der Zeit außergewöhnlich weit auseinander: Beides bekommt so das Eigenrecht auf volle Wahrnehmung. So glänzt die Frucht gleich zu Beginn und freut sich ihrer Existenz, während das tanninig-adstringierende auch deswegen nicht sehr ausgeprägt anklingt, weil die Vollmundigkeit des Weins eben erst später hervortritt. Zugleich legt aber gerade diese Erfahrung beim nächsten Schluck die eingangs unterschätzte Eingewobenheit der Frucht als immer schon bedeutsame frei: Die Erfahrung des Endes gibt der Fruchtigkeit erst ihre volle Komplexität und Schönheit.

Hinzu kommt noch: Wir hatten den Wein am Anfang ein wenig zu kalt gekostet. Der Geruch hatte Großartiges versprochen, mit der einkehrenden Wohltemperiertheit wird dieses Versprechen dann nicht nur eingelöst, sondern gar noch übertroffen.

(Un-)Kryptische Weinsprüche aus unseren Notizen:

– Leon: „Der Wein hat eher einen Backengeschmack als einen Zungengeschmack!“